Strohdach nach Hofer Art ( 2. Dach decken)

strohdach - frisch gedeckt

Trockenes Wetter ist die Bedingung für einen Decktag, da zuerst das alte Stroh komplett entfernt wird. Dann lässt sich auch besser beurteilen, welche Holzteile auszutauschen sind. Wo notwendig Dachstangen wechseln, eine Schindelreihe an der Traufe und 3 bis 5 nebeneinanderliegende Schindeln an den Ortgängen hoch befestigen, Bleche um den Schornstein und in den Dachkehlungen kontrollieren, evtl. austauschen und dann ran an´s Stroh.

Strohdach decken

Bei sehr heißem Wetter und / oder langer Lagerzeit der Strohschaab kann es vorteilhaft sein, diese zunächst leicht anzufeuchten, um ein Brechen der Halme beim Decken zu umgehen. An einer Seite der ersten freien Stange von der  Traufe her beginnend, legt man die erste Schaab mit den Halmenden zum First zeigend an. Nun nimmt man aus dieser Schaab etwas Stroh und verdreht es zu einem Seil, führt dieses um die Dachstange herum und legt bereits die nächste Schaab an. Das Seil verlängert man mit Stroh aus jener 2. Schaab, umschlingt die Stange, nimmt die nächste Schaab, verlängert das Seil, bindet es um die Stange, nächste, verlängern, ….. bis das Dach fertig ist. Als Abschluss wird am Frist eine Reihe Schindeln angebracht und an den Rändern dienen kurze Äste dazu, das Stroh an Ort und Stelle zu halten (siehe Bild oben).

… das Strohseil hält die Schaab fest an Ort und Stelle …

Beginn des eigentlichen Dachdeckens: die ersten Schaab werden mit einem immer weiter verlängerten Strohseil an die Stange gebunden.

 

offenes strohdach beim decken

offenes Strohdach beim Decken: je länger das Stroh, umso mehr überlappt es auf die darunterliegenden Stangen, umso dicker das Dach

So simpel es klingt und ist, erfordert das Strohdachdecken – wie jedes Handwerk – Ausdauer, Präzision, Geschick und Gleichmäßigkeit. Das Strohseil darf keine Schwachstellen haben und soll in gleicher Festigkeit um die Stangen gewickelt sein. Neu angelegte Schaab müssen fest an die schon gebundenen geschoben werden. Nicht zu stark, dass die Schaab aufkanten, oder zu schwach, wodurch Schwachstellen entstehen würden. Das kürzeste Stroh nimmt man für die erste Stange nach der Traufe. Je länger das Stroh ist, umso weiter überlappt es auf die darunterliegenden Stangen und desto länger die Haltbarkeit. Die Lebensdauer eines Strohdaches hängt auch von der Lage und Ausrichtung des Gebäudes, der Dachneigung, Baumbestand, etc. ab und liegt bei etwa 12 bis 15 Jahren, Tendenz eher sinkend.

 

Warum „nach Hofer Art“ ?

Im Landkreis Hof gibt es noch 4 strohgedeckte Anwesen, die alle in althergebrachter, lokal üblicher Weise mit den Ähren nach unten in Richtung Traufe gedeckt sind. Das dafür notwendige Binden und Verdrehen der Schaab bedeutet mehr Aufwand beim Dreschen im Winter, ermöglicht später aber ein wesentlich schnelleres Decken des geöffneten Daches. Durch die Befestigung mit dem quasi endlos gedrehten Strohseil braucht es keinerlei Fremdmaterialen zum Decken.

strohdach von innen

Strohdach von innen – zur Befestigung werden keine anderen Materialien benötigt

In gleicher Art gedeckte Strohdächer soll es noch in Böhmen, Südtirol, Westungarn und Schweden geben. Im Landkreis Hof bestand diese Technik länger als anderswo fort (möglicherweise, weil diese Variante der Strohdachdeckung von den Bewohnern leichter repariert und ausgebessert werden konnte) und besteht bis heute. (vgl.: Popp, Bertram: Dächer aus Stroh; Die letzten Relikte einer alltäglichen Handwerkstechnik in Bayern; in: Neues aus der Hausforschung in Bayern, Bad Windsheim, 2015)

Sonst wurden und werden Dächer aus Stroh wie Reetdächer angefertigt: die Schaab nur einfach gebunden, die Halmenden zur Traufe gerichtet, Band gelöst, mit einem Deckbrett in der Dachneigung ausgerichtet und geglättet, an die gedeckte Nachbarbahn gedrückt und mittels Weidenruten oder Draht an die Dachstangen gebunden. Das eigentliche Dachdecken dauert dadurch entsprechend länger und benötigt mehr Material. Die dickere Strohschicht von etwa 30 cm lässt hingegen eine längere Haltbarkeit dieser Art der Strohdachdeckung erwarten.

Ein Strohdach sorgt – auch nach heutigen Gesichtspunkten – für ein günstiges Wohnklima, denn es wärmt im Winter und kühlt im Sommer, d.h. allerkleinste Luftzwischenräume im Dach sorgen für einen natürlichen Ausgleich. Und es hält trotzdem dicht und konnte selbst hergestellt werden. Allein der Erneuerungsdruck bleibt über die Jahre hinweg bestehen.

Strohdach nach Hofer Art ( 1. Vorbereitung)

bereitliegende schaab zum decken des strohdaches

Für ein Strohdach bedarf es einer Reihe alter Arbeitstechniken, die heutzutage kaum mehr überliefert sind, samt der Gerätschaften für Ernte und Dreschen. Zunächst wird im Herbst Winterroggen ausgesät, der in darauffolgenden Sommer geerntet und in den Folgemonaten gedroschen und gebunden wird, bis fertige Schaab auf´s Dach können. Also einem Vorlauf von gut eineinhalb Jahren von der Aussaat bis zum gedeckten Strohdach.

Saatgut, Anbau und Ernte

Soll Stroh für ein Dach verwendet werden, benötigt man möglichst langes und ungeknicktes Stroh, um eine mehrfache Überlappung zu erzielen. Deshalb ist Roggen zu bevorzugen, allerdings läuft die Zucht der Roggensorten seit Jahrzehnten in Richtung Kornertrag und Standfestigkeit, was zu kürzerem Stroh führt. Darum greift man auf alte Sorten zurück, wie den Karlshulder Winterroggen (D) oder Kaltenberger Winterroggen (AT).

Die Aussaat erfolgt dünner als üblich und auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sollte gänzlich verzichtet werden (allenfalls gegen „Unkraut“), da dies die Haltbarkeit des Strohs unter Witterungseinflüssen deutlich mindern würde, aber auf dem Feld eben ein höheres Lagerrisiko bedeutet.

Weil die Ernte so strohschonend wie möglich zu absolvieren ist, sind moderne Mähdrescher ungeeignet. Geknickte und gebrochene Halme würden Wasser aufsaugen und dadurch schneller verrotten, anstatt es abfließen zu lassen. Deshalb  muss auf reine Handarbeit mit Sense, Sichel oder Sichte bzw. auf einen Mähbinder zurückgegriffen werden. Danach stellt man die gebundenen Garben, wie in alten Zeiten, wieder in Puppen auf.

 

Dreschen und Schaab binden

schaab gedreht

Schaab, eine Hälfte um 360 Grad verdreht, damit das Band straff wird – noch ungeschnitten

Das gedroschene Stroh – wie im vorherigen Beitrag beschrieben – ist speziell zu binden, um die Festigkeit auf dem Dach sicher zu stellen. Hierzu wird etwas mehr als benötigt mit beiden Händen unterhalb der Ähren aufgenommen und kräftig ausgeschüttelt und gegen einen Balken geschlagen oder durch einen befestigten groben Rechen gezogen. Damit entfernt man die kürzeren oder querliegenden Halme und das Unkraut.

schaab aus roggenstroh

Schaab aus Roggenstroh, gedreht

 

Anschließend legt man das Bündel ab, umfasst es bei den Halm-enden und stößt es an einer Wand möglichst bündig, sodass später weniger Verschnitt entsteht. Nun fertigt man ein etwa daumen-dickes, in sich verdrehtes Strohband an und  bindet damit das Bündel ca. 20 cm unterhalb der Halmenden zusammen. Dieses Bündel wird knapp unterhalb des Bandes auf ein schmales, keilförmiges, an der Wand befestigtes Brettchen gesteckt und in zwei gleichmäßige Hälften geteilt. Eine Hälfte verdreht man um 360°, damit das Band eine 8 ergibt, was die Festigkeit des ganzen steigert, evtl. sogar über die Haltbarkeit des Bandes hinaus. Abschließend noch die Halmenden mittels eines Strohschneiders oder einer Axt bündig schneiden und fertig ist die Schaab!

6 Stück werden zu einem Bündel zusammengebunden und einge-lagert. Die Schaab sollten möglichst gleichstark sein, damit beim Dachdecken keine Beulen oder Dellen entstehen. Je länger das Stroh ist und je stärker der Durchmesser an den Halmenden (normal etwa 20 cm), umso länger ist auch die Haltbarkeit auf dem Dach.

Vorbereitende Holzarbeiten

Für ein reibungsloses Dachdecken sollten benötigte Holzteile vorab angefertigt werden.

Einerseits sind dies Nut und Keil Schindeln von ca. 12 cm Breite und 60 – 80 cm Länge mit diesem Querschnitt:

querschnitt einer schindel aus lärchenholz

Querschnitt einer Nut- und Keilschindel aus Lärchenholz

Wurden diese früher mittels Spezialwerkzeugen mit der Hand zurechtgeschlagen (oder einfache Brettchen als Kriecher und Decker angebracht), nimmt man heute die Säge. Zwecks der besseren Haltbarkeit verwendet man Lärchenholz. Auf das Dach kommt eine Schindelreihe an die Traufe, ein Saum von ca. 4 Schindeln an den Ortgängen ( = Giebelseiten) und eine Reihe auf den First, welche als Abschluss die oberste Strohreihe zu einem Drittel überdeckt. Das Deckstroh erhält somit einen dichten Rahmen, auf dem es aufliegen kann bzw. einen schützenden Deckel auf dem First.

Weiterhin sollten für den Fall, dass beschädigte Dachstangen getauscht werden müssen, diese vorrätig sein. Die Stangen, auf zwei Seiten abgeplattete Rundhölzer von etwa 8 cm im Querschnitt, werden im Abstand von 30 bis 40 cm quer auf den Sparren befestigt. Weil daran später das Stroh gebunden wird, sind Vierkanthölzer ungeeignet, da jene das haltende Strohband zu stark strapazieren würden.

Ist alles Material in ausreichender Menge vorbereitet, benötigt es noch gutes Wetter für einen Decktag.