Der Mähbinder

maehbinder bei der roggenernteAugust 2015: ganz Franken ist von Mähdreschern besetzt … Ganz Franken? Nein! Ein unbeugsames Häuflein hört nicht auf, Widerstand zu leisten und erntet Roggen mit dem Mähbinder. Brauchtumsverein? Nein! … Museumsreservat? Nein! … militante Bäckergesellen? Nein! Sie benötigen unverknittertes Stroh für ein Strohdach!

Der Mähbinder oder Bindemäher – auch kurz Binder – schnitt das Getreide und legte dieses in zusammengeknoteten Bündeln auf dem Feld ab.

Von alters her wurde das Getreide per Sichel oder Sense gemäht, mit der Hand zu sogenannten Garben gebunden und in kleinen Gruppen – den Puppen, Hocken oder Kornmandln – bis zum Abreifen und Abtransport aufgestellt. Der gesamte Erntevorgang war sehr zeit- und arbeitsintensiv, und nur bei halbwegs trockener Witterung durchführbar. Das Dreschen, also das Lösen der Körner von Stroh und Ähre, erfolgte im Winter in der Scheune.

Die Entwicklung des Mähbinders

Um 70 n. Chr. berichtete der römische Geschichtsschreiber Plinius über einen in Gallien gebräuchlichen Erntewagen – als „vallus“ bezeichnet, der die Ähren vom Halm riss. Von einem Ochsen oder Maultier geschobenen, war das Gefährt an der Vorderseite mit schafkantigen Zähnen bestückt, welche kammartig durch das Getreide fuhren, die Ähren abstreiften und in einem dahinterliegenden hölzernen Kasten sammelten. Der Vallus geriet in Vergessenheit und die Getreideernte blieb über mehr als anderthalb Jahrtausende reine Handarbeit. Ein moderner Nachbau jenes antiken Vorläufers aller Erntemaschinen, erwies sich als voll funktionstüchtig.

Mit der industriellen Revolution und dem Abwandern der Landarbeiter in die Städte stieg auch der Innovationsdruck auf die Landwirtschaft. Aus den Jahren 1799 und 1807 sind erste Patente auf Mähmaschinen in England bekannt und 1826 stellte der Schotte Patrick Bell einen brauchbaren geschobenen Mäher mit Haspel vor.

Der Durchbruch gelang jedoch in den Vereinigten Staaten mit ihrer großflächigen Landwirtschaft: Cyrus Hall McCormick führte 1831 seinen pferdegezogenen, seitenversetzten „Virginia Reaper“ – Getreidemäher vor. Nahezu zeitgleich präsentierte Obed Hussey in Baltimore einen Mäher mit ähnlichen Qualitäten. Beide wurden erbitterte Rivalen, doch McCormick verbesserte und überarbeitete seinen Reaper ständig, gelangte zur Serienreife und dominierte anschließend den Markt mit 250 000 verkauften Mähern bis zum Ende der 1860er Jahre.

Allerdings konnten diese Geräte nur das Getreide abmähen und in kleinen – manuell zu bindenden – Häufchen auf dem Feld ablegen. Nach der Erfindung mechanischen Knoters 1857 (und somit der Grundlage der Getreidebindung) durch den 18 jährigen John Appleby, setzte man zunächst auf eigenständige Bindemaschinen, die das gemähte Getreide wieder aufnahmen und banden, aber hohe Körnerverluste verursachten. Auch wurden „Mähbinder“ konstruiert, auf denen ein oder zwei zusätzliche Personen mitfuhren, welche die Garben von Hand banden. Erst 1872 gelang es der Firma Deering den ersten Mähbinder zu bauen, also eine Maschine die beides ermöglichte: Mähen und automatisches Binden.

Damit waren die wesentlichen Merkmale des Mähbinders geschaffen und nachfolgende Konstruktionen dienten lediglich der praktischen Verbesserung, wie z.B. die Garnbindung (ab 1881) oder die Umstellung auf Zapfwellenantrieb (mit dem Aufkommen geeigneter Traktoren und der Zapfwelle ab 1927).

Funktionsweise

Alle Erfindungen mussten erst ihre Praxistauglichkeit beweisen, indem sie den Effizienzgewinn schnelleren Arbeitens nicht durch Reparaturanfälligkeit oder erhöhte Kornverluste wieder zu Nichte machten. Auf der Strecke blieben Techniken wie geschobene Mäher, rotierende Sicheln, manuelles Abrechen, händisches Binden auf dem Mäher („der Erste“ Mähbinder?), Binder als separate Maschine, Drahtbindung oder letzten Endes die Zugtiere und der Antrieb durch das Hauptrad.

McCormick´s und Hussey´s Neuerung war das zwischen festen Stahlfingern horizontal hin und her rotierende Messer. In der Version mit echter Pferdestärke übertrug ein Hauptrad die Vorwärtsbewegung auf das Messer und die sonstigen angetriebenen Teile.

maehbinder fahr z5 aus den 1950ern bei der roggenernte 2015

Mähbinder Fahr Z5 (Baujahr in den 1950ern) bei der Roggenernte 2015

Abteiler und Aufrichtblech trennen die zu mähende Bahn vom restlichen Bestand. Die Haspel biegt die Getreideähren entgegen der Fahrtrichtung, so dass auf der Plattform alle Halme mit den Ähren nach hinten liegen und der Mähbalken nicht verstopft. Tücher mit aufgenieteten Holzleisten transportieren das Schnittgut von der Plattform und im Elevator (über das Rad hinweg) auf den Bindetisch. Dort sammelt sich eine entsprechende Menge, ehe der Bindeapparat auslöst und der Knüpfer den Garnknoten erzeugt. Die fertige Garbe wird abgeworfen und muss noch zu Puppen aufgestellt werden (links im Bild).

Das Prinzip der Haspel, wie des Mähbalkens, findet in heutigen Mähdreschern Verwendung und ebenso sind ähnliche Knüpfapparate in modernen Pressen verbaut.

Verbreitung

Ab 1855 produzierte Cyrus McCormick seinen Reaper auch in England und im Folgejahr gelangte der erste Mäher nach Deutschland. In den USA wurden in den 1890er Jahren über 100 000 Binder jährlich verkauft und nach Aufkäufen und Firmenzusammenschlüssen zur International Harvester Company (IHC) erreichte McCormick monopolähnliche Verhältnisse. Trotz namhafter Konkurrenz wie John Deere oder Massey-Harris und obwohl bereits mit Hochdruck an Mäh-Dresch-Kombinationen gearbeitet wurde (erstes Patent 1835, Serienreife ab 1860er Jahren, Selbstfahrer ab 1886, Massenabsatz nach dem 1. Weltkrieg).

In Deutschland baute die Firma Fahr im Jahr 1900 den ersten Getreidemäher mit Handablage und ab 1911 produzierte IHC in Neuss am Rhein. Weitere Hersteller wie Lanz und Bautz folgten, ehe 1927 die Firma Krupp den ersten Mähbinder mit Zapfwellenantrieb konstruierte.

Nach dem I. Weltkrieg wurde in Amerika der Binder vom Mähdrescher verdrängt, welcher aber für die europäischen Verhältnisse (kleinflächige Struktur, dichtere Getreidebestände, höherer Strohbedarf wegen intensiverer Viehhaltung, Kosten) noch nicht geeignet war. So blieb der Mähbinder hier bis in die 60er Jahre hinein mehr oder weniger verbreitet.

Der Mähbinder – weltweit millionenfach verkauft – leitete die industrielle Revolution im Ackerbau ein, da mit weniger Arbeitern deutlich höhere Flächenleistungen möglich wurden. Heute ist er ein Museumsstück oder das Objekt technikbegeisterter Oldtimer- und Brauchtumsfreunde. In freier Wildbahn sind nur mehr Einzelexemplare anzutreffen, deren Nutzer ungeknicktes Stroh als Material zur Dacheindeckung benötigen.

strohpuppen auf dem feld

Strohpuppen auf dem Feld

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